The Damned Don’t Cry – Doing, Making, Saying Things
Wenn sich zwei Profis der Musikproduktion und langjährig im Musikbusiness erfahrene Künstler begegnen, muss zwar nicht zwingend etwas Außergewöhnliches entstehen – bei The Damned Don’t Cry ist dies jedoch der Fall. Hinter diesem eigenwilligen Namen, der sich von einem Wavepop-Klassiker der 80er-Synthie-Band Visage ableitet, verbergen sich Ingo Drescher und Carlos Ebelhäuser. Beide blicken bereits auf beachtliche Erfolge im Bereich des Indie- und Alternative-Rock zurück und haben zahlreiche Tonträger (mit-)komponiert, (mit-)produziert und veröffentlicht.
Ingo Drescher war Gitarrist, Sänger und Hauptsongwriter der Münsteraner Indierock-Formation Cuba Missouri, die zwischen 2000 und 2010 zwei EPs und zwei Alben veröffentlichten. Mit einem hoch individuellen Sound zwischen der schwebenden Schönheit von The Notwist, dem kraftvollem Lärmen von Dinosaur Jr. und dem instrumentalen Abstraktionsvermögen von Radiohead schaffen es Cuba Missouri, im damals dicht besiedelten Feld des Indierock ihre ganz eigene Nische zu finden. Über 150 Club-Konzerte sowie zahlreiche Festivalauftritte folgten, es entstand deutschlandweit eine treue Fanbase. Nach dem Ende der Band zog Drescher der Liebe wegen nach Berlin und startete gemeinsam mit seiner Partnerin Susann Seyfried und rund um die Zeit, als ihre gemeinsame Tochter in das Leben wuchs, das Projekt David Told Me. Darauf verband Drescher seine besondere kompositorische Qualität als Indie-Singer-/Songwriter mit seinem Interesse an elektronischen Sounds, die Songs reflektieren neben seiner Verwunderung über die Unverbindlichkeit Berlins auch die Erdverbundenheit und Naturliebe.
Der Bassist Carlos Ebelhäuser wiederum eroberte von Koblenz aus nicht nur Deutschland, sondern auch viele andere Nationen gemeinsam mit einer der profiliertesten deutschen Alternativerock-Bands, Blackmail – und fungiert obendrein als Bassist in dem experimenteller angelegten Alternative-Trio Scumbucket. In beiden Bands arbeitet er an der Seite seines Bruders Kurt, gemeinsam betreiben die beiden das in Indie-Kreisen hochgeschätzte Tonstudio 45 in Koblenz, wo sie neben ihren eigenen Arbeiten auch Alben von Readymade, Donots, Pascow, Long Distance Calling, Madsen, Adam Angst und vielen anderen aufnahmen und zum größten Teil auch produzierten.
Blackmail tourten nicht nur durch ganz Europa, sondern blicken u.a. auch in Japan auf eine treue Fanbasis, wie Tourneen vor Ort bewiesen. Mit Alben wie „Bliss Please“ (2001) „Friend or Foe“ (2003) und „Aerial View“ (2006) hat die Band einige geradezu klassische Alternative-Alben eingespielt, die sich teilweise in ewigen Bestenlisten wieder finden: So wählte der Rolling Stone „Bliss Please“ in die Liste der „500 besten Alben aller Zeiten“, das Magazin VISIONS nominierte „Friend or Foe?“ für ihre Liste „150 Platten für die Ewigkeit“. Allen Alben ist gemein, dass sie krachende, scharfkantige Gitarren mit fantastischen Melodien und einem Hang zum komplexen Songwriting und detailverliebten Arrangement verbinden. Insgesamt erschienen von Blackmail bislang neun Alben (darunter auch ein Album mit Filmmusik zu dem Film „Kammerflimmern“) sowie fünf EPs und ein Remixalbum.
In der Folge schickten sich die beiden ihre jeweiligen Ideen hin und her – und ergänzten rein intuitiv, was ihnen zu der Arbeit des anderen jeweils einfiel. Der Nukleus und Grundansatz ist dabei, all der über Jahrzehnte geschulten und geschätzten Kreativität freien Lauf zu lassen, sie aber zugleich in sinnstiftende und für den Hörer wie auch sich selber überraschende Songkonzepte zu kanalisieren. Hier der erfahrene, stets zu einer wunderbar ausformulierten Melancholie neigende Songwriter Ingo Drescher, dort das professionelle Studioass Carlos Ebelhäuser mit seinen herausragenden Skills im präzisen Ausgestalten von Gitarren-basierter Musik, die zugleich in Arrangement und Synthizer-Klangästhetik kaum Grenzen kennt. Pure Kreativität auf beiden Seiten, die einerseits im natürlichen Fluss ist und nicht desavouiert wird durch konzeptionelle Marketing-Überlegungen, die aber andererseits auch nicht willkürlich ausufert, sondern sich stets voll und ganz in den Dienst eines Songs und eines größeren Rahmens stellt. Ein Rahmen, der zwar weit gefasst ist und eine ebenso britische wie amerikanische Handschrift des Rockmusik-Verständnisses in sich trägt, gleichzeitig aber auch höchst individuell vor allem den eigenen ausgefeilten Geschmack der beiden Pro s erfüllt und nachhaltig befeuert. Bei der finalen produktionellen Ausgestaltung können sie obendrein auf die Unterstützung von Studiocrack und Produktions-Genie Kurt Ebelhäuser bauen, der auch einige der kraftvollen Gitarren-Parts übernimmt.
In der Musik von The Damned Don’t Cry vernimmt man große, rhythmisch unerwartbare Indiepop-Entwürfe ebenso wie die kraftvolle Breitseite massiver Distortion-Gitarren mit melodiösem Geschick. Über allem schweben signifikant zum jeweiligen Song abgestimmte Piano- und (Retro-)Keyboard-Sounds, die dem melancholisch gefärbten Songwriting eine gewisse Helligkeit beimischen und generell für eine radikale Vergrößerung der klanglichen Farbpaletten sorgen. Die klug komponierten, niemals einem Schema F folgenden und dennoch absolut eingängigen Stücke verschicken den Hörer mit ihrem ästhetischen Facettenreichtum auf eine Reise durch angedeutete Zitate von den späten Beatles über den Progrock der 70er, den Wave der 80er, den cleveren Indierock der 90er und das stilistisch offene Grenzüberschreiten zwischen Pop, Lärm und unverhohlener Schönheit, das man in der Gitarrenmusik des neuen Jahrtausends findet. All diese Zutaten kulminieren in der geplanten Single „Things“, die zusammen mit der EP am 1. Oktober erscheint. Ein Song mit absolutem Hit- und Suchtpotenzial.
Nach der im reinen DIY- und Tape-Trading-Verfahren produzierten und trotzdem jeden internationalen Standard locker nehmenden Vier-Song-EP „Doing, Making, Saying, Things“ befanden sich die drei Musiker nun gemeinsam im Studio, um ihr Debütalbum aufzunehmen und zu produzieren, das wie die EP über den langjährigen Blackmail-Labelpartner Unter Schafen erscheinen wird. Ein weiteres Ziel ist die Zusammenstellung einer Liveband, um den voluminösen, facettenreichen Sound von Th e Damned Don’t Cry auch konzertant zu einem besonderen Erlebnis zu machen.
Drescher und Ebelhäuser, die sich nun in The Damned Don’t Cry auf spannendste Weise künstlerisch begegnen, kennen sich schon sehr lange. Sie haben über all die Jahre nicht nur immer mal wieder eine Konzertbühne mit ihren Bands geteilt – schon das Cuba Missouri-Debüt „This Year’s Lucky Charms“ (2006) führte die beiden zusammen, nachdem Carlos’ Bruder Kurt die Produktion des Albums übernahm. Der Start für ihr gemeinsames Projekt war ein Experiment, entstanden aus der durch den Pandemie-Lockdown notwendig gewordenen künstlerischen Isolation der beiden Musiker. Beide verfügten über eine erkleckliche Anzahl von Songskizzen, wobei es sich bei jenen von Ebelhäuser häufi g eher um spannende Klangentwürfe handelte, während Drescher rohe Kompositionen mit in das Experiment brachte.
Sascha Krüger (Visions, Galore)
Pre-Save-Page für die Single Disconntect Myself:
https://save-it.cc/unterschafenrecords/disconnect-myself
und die EP
https://save-it.cc/unterschafenrecords/doing-making-saying-things