BLACKMAIL
Als im Oktober 1997 das selbstbetitelte Erstlingswerk der Koblenzer Combo Blackmail auf den Markt kommt, ahnt man schnell: Hier entsteht Großes. Gitarrenmusik mit so viel Melodie, Verve und Schmackes, wie man sie aus Deutschland nicht oft hört.
Alles beginnt ziemlich genau vier Jahre vorher. In einer Zeit, in der Grunge noch atmet, Kurt Cobain aber schon kurz darauf stirbt, wollen vier Jungs aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz auf eigene Art und Weise rocken.
Der türkische Sänger Aydo Abay schreibt die Texte, Kurt Ebelhäuser spielt Gitarre, sein Bruder Carlos fungiert als Basser, das Schlagzeug bedient Mario Matthias. Nach einigen Proben spielen sie schon erste Demos ein.
1996 stoßen die Koblenzer auf Guido Lucas, der mit ihnen auf seinem kleinen, aber feinen bluNoise-Label ein Jahr später das erwähnte Debüt produziert. Auf der anschließenden Tournee schreiben sie schon fleißig am nächsten Album. Kurt gründet nebenbei eine weitere Band namens Scumbucket, in der er seiner Experimentierfreude ebenso freien Lauf lässt.
Im Februar 1999 folgt der Nachfolger „Science Fiction“, mit dem sich die Band nachhaltig in die Herzen der Alternative-Gemeinde spielt. Wieder beim selben Indie-Label veröffentlicht, steigt das Album in den Lesercharts der Zeitschrift Visions bis auf Platz sieben.
Dennoch bleiben die Blackmail-Mitglieder rastlos: Kurt veröffentlicht mit Scumbucket zwei weitere Alben, Aydo und Mario sind inzwischen künstlerisch ebenfalls anderweitig tätig. Während Kurt mit seiner Band wahre Gitarrenorgien abliefert, widmen sich die anderen beiden mit Dazerdoreal einer Mischung aus Trip Hop und Krautrock .
Ende 2000 entsteht ein elektronisches Remix-Album von „Science Fiction“ mit dem Titel „Do Robots Dream Of Electric Sheep“ in Anlehnung an Philip K. Dicks „Blade Runner“-Klassiker (Originaltitel: „Do Androids Dream Of Electric Sheep“).
Federführend agiert Blackmail-Sänger Aydo Abay mit Unterstützung von Jean Michel, den Sushi Brothers und Regie 48. Wer Drum’n Bass, Trip Hop, Downbeat und krudes Maschinengefiepse mag, könnte hier richtig liegen. Anschließend steht auch schon die Arbeit am Drittlingswerk an, für das über 30 Songs entstehen.
„Bliss, Please“ erscheint 2001 beim Major Eastwest, der extra für Blackmail das Unterlabel Speicherstadt gründet. Der Labelwechsel bewirkt musikalisch einen poppigeren Bandsound, kommerziell weitaus größere Vertriebsmöglichkeiten und erntet durchgehend positive Kritiken.
Wieder fungiert Guido Lucas als Produzent, die Sessions finden erneut im Studiokomplex des bluNoise-Labels statt. Trotz des Wechsels zum Majorlabel bestimmt weiterhin nie Kalkül die Richtung. Spontaneität gilt als eine der Stärken der Band, was nicht nur live zu spüren ist.
Die anschließende Tour sorgt für volle Hallen. Zum ersten Mal stoßen Blackmail in die Charts vor. Kaum wieder zu Hause, werkelt man in Koblenz jedoch schon am nächsten Projekt: Ken. Aydo Abay und einige Mitglieder von Scumbucket spielen das Album „Have A Nice Day“ ein, das einen Achtungserfolg einfährt.
Ende 2002 steuern Blackmail den Titelsong zum John Sinclair-Hörspiel „Der Anfang“ bei. Danach soll wieder der Band-Sound im Vordergrund stehen. Im inzwischen eigenen Studio 45 bei Koblenz entstehen 22 selbst produzierte Stücke. Elf davon schaffen es auf das Album „Friend Or Foe?“, das im Mai 2003 beim Warner-Imprint Wea erscheint.
Insgesamt gerät die Platte wieder etwas rockiger als der Vorgänger. Mit „It Could Be Yours“ findet sich der Clubhit-Nachfolger zu „Same Sane“. Fünf der Songs, die nicht auf dem Album zu hören sind, erscheinen auf der zusätzlichen EP „Foe“.
Nach einer Umstrukturierung im Hause Warner Music gehören nicht nur die Labels Eastwest und Wea der Vergangenheit an, auch einige Vertragsbands müssen gehen. Blackmail verweigern sich einer erneuten Zusammenarbeit und kehren mit einem Deal mit City Slang zurück zu ihren Indie-Wurzeln.
Auf dem Label, das auch Platten von Calexico, The Notwist, Lee Hazlewood und Lambchop veröffentlicht, erscheint im Januar 2006 der fünfte Longplayer „Aerial View“. Auch im 14. Bandjahr zeigt sich das Quartett nicht gewillt, seine Qualitätsstandards zu unterschreiten.
Im Dezember 2008 trennen sich Blackmail infolge interner Differenzen während einer Tour von Sänger Aydo Abay. Die gemeinsame Basis sei abhanden gekommen, heißt es.
Ein Jahr später teilt die Band der Fangemeinde die frohe Botschaft mit, dass es mit neuem Sänger Mathias Reetz unter altem Namen weitergeht. Reetz ist gleichzeitig noch mit seinem Nebenprojekt The Heart Of Horror unterwegs, mit dem er ein Jahr nach „Anima Now!“ mit „Into My Own“ ebenfalls wieder ein Album am Start hat.
Für den „Anima Now!“-Nachfolger „II“ lassen sich die Koblenzer im Folgejahr ungewohnt viel Zeit. Anders als in der Vergangenheit, wo die Band schon mal komplette Alben innerhalb von zwei Wochen direkt im Studio schrieb, verteilt sich die Arbeit diesmal auf drei intensive Sessions im März, Juni und Oktober: „Diese Zeit hört man der Platte auch an“, so Sänger Mathias.
Das Album erscheint im Februar 2013: „Unser Traum war, ein großes, zeitloses Rockalbum zu machen. Für uns ist das der Ritterschlag, wenn man sowas hinbekommt. Und das genau war unser Anspruch.“
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